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Wichtigste Schlussfolgerungen
- Das Wiederaufleben des „reverse Kissinger“-Denkens unterstreicht Washingtons Suche nach Einflussmöglichkeiten, doch die heutigen Bedingungen unterscheiden sich grundlegend von den 1970er Jahren: Es gibt kein ausnutzbares chinesisch-russisches Zerwürfnis.
- Moskau und Beijing sind durch systemische Zusammenarbeit, gemeinsame Rüstungsprojekte, die Integration von Weltraumnavigationssystemen, Geheimdienstkooperation und energiepolitische Interdependenz verbunden, wodurch ihre Partnerschaft ein historisches Niveau erreicht hat.
- Trotz Sanktionen hält Russland den Handel mit China über Schattenflotten, Tauschgeschäfte, auf Yuan basierte Abrechnungen und den Import von Dual-Use-Gütern aufrecht. Dies signalisiert den Aufstieg alternativer finanzieller und technologischer Lieferketten.
- Für die USA bedeutet eine Annäherung an Moskau erhebliche Zugeständnisse in den Ukraine- und NATO-Fragen, was zugleich das Vertrauen unter den Verbündeten in Europa und im indopazifischen Raum untergraben würde.
- Das zentrale strategische Dilemma besteht darin, ob Washington einer konsolidierten chinesisch-russischen Achse entgegentreten kann, ohne dabei seine Bündnisarchitektur, eigentlich das Fundament des globalen Einflusses der USA, zu destabilisieren.

In der heutigen geopolitischen Realität steht die Vereinigten Staaten vor einer zentralen Sicherheitsherausforderung: der strategischen Annäherung zwischen der Volksrepublik China und der Russischen Föderation. Die Partnerschaft dieser Staaten umfasst weite Teile Eurasiens und verfügt über enorme Ressourcen sowie militärische Fähigkeiten, einschließlich strategischer Nuklearwaffen. Damit stellt sie eine unmittelbare Bedrohung für die nationalen Interessen der USA im asiatisch-pazifischen Raum dar. Einige amerikanische Experten erwägen daher, den Erfolg eines ähnlichen historischen Falls, des sowjetisch-chinesischen Zerwürfnisses in den 1970er Jahren, zu wiederholen. Dies würde eine übermäßige Annäherung der beiden Länder verhindern, indem man eine Strategie verfolgt, die als „umgekehrter Kissinger“ bekannt ist und darin besteht, die Vereinigten Staaten näher an Russland heranzuführen, um ein Gegengewicht zu der größeren Bedrohung durch den schnellen Machtzuwachs Chinas zu schaffen.
Vor dem Hintergrund der US-chinesischen Konfrontation erscheint die Wiederholung des Erfolgs von Kissinger und Nixon, die beiden eurasischen Kontinentalmächte zu spalten, durchaus verlockend und angesichts der schwindenden Rolle des Westens in der Weltpolitik sogar notwendig. In der heutigen Realität ist jedoch die Anpassung von Henry Kissingers Ansätzen an die russisch-chinesischen Beziehungen sowohl ineffektiv als auch riskant. Anders als in den 1970er Jahren pflegen Russland und China heute die engsten Beziehungen in ihrer Geschichte, was sich in ihrer intensiven wirtschaftlichen, militärischen und technologischen Zusammenarbeit sowie in gemeinsamer antiamerikanischer Diplomatie widerspiegelt. Die USA können Moskau keine Vorteile anbieten, die seine Unterstützung für China ersetzen könnten, und Zugeständnisse an den Kreml würden das westliche Sicherheitssystem ernsthaft gefährden.
Warum Kissingers historischer Präzedenzfall heute nicht funktioniert
Zunächst lohnt es sich, das Wesen des Dreiecks USA-UdSSR-China zu Beginn der 1970er Jahre zu verstehen.
Bereits in den 1960er Jahren gerieten die Beziehungen zwischen der UdSSR und der Volksrepublik China in eine tiefe Krise, die durch den Konflikt zwischen Mao Zedong und Nikita Chruschtschow ausgelöst wurde und 1969 in ein Grenzgefecht auf der Insel Damanski mündete. Angesichts der Kulturrevolution und der sich verschlechternden Beziehungen zur UdSSR begann China selbst, Interesse an einer Annäherung an die USA zu zeigen.

1972 leitete die Nixon-Administration, mit dem Ziel, die Bildung eines eurasischen kommunistischen Blocks zu verhindern, eine Annäherung an die VR China ein. Dies verschaffte den Vereinigten Staaten zusätzlichen Einfluss in ihren Beziehungen zur UdSSR und führte ab 1979 sogar zu einer US-chinesischen Verteidigungskooperation gegen die sowjetische Bedrohung. Kissinger vertrat die Auffassung, dass es für die Vereinigten Staaten stets besser sei, „entweder Moskau oder Peking1 nahezustehen, als diese beiden einander.“
In den 1980er Jahren verschaffte die Öffnung der chinesischen Wirtschaft ausländischen Unternehmen den Zugang zu einem Markt mit rund 900 Millionen Verbrauchern und zu einem großen, billigen Arbeitskräftepotenzial. Durch die Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen mit Steuererleichterungen, Zollvergünstigungen und vereinfachten Verfahren zog die VR China umfangreiche Investitionen und Produktionsverlagerungen an, was internationalen Unternehmen beträchtliche Gewinne einbrachte.
Kissinger nutzte das bestehende sowjetisch-chinesische Zerwürfnis geschickt aus und führte damit ein erfolgreiches geopolitisches Manöver durch. Seine Dreiecks-Diplomatie öffnete China für amerikanische und internationale Unternehmen und schuf einen wichtigen Partner der Vereinigten Staaten im Kampf gegen den sowjetischen Einfluss. Heute hingegen zeigen die russisch-chinesischen Beziehungen eine weitgehende Synchronisierung strategischer Ziele, sodass es keinen inneren Bruch gibt, den Washington ausnutzen könnte.
Der aktuelle Stand der russisch-chinesischen Beziehungen
Nach der Annexion der Krim 2014 und den darauffolgenden westlichen Sanktionen vollzog Russland eine sogenannte „Wende nach Osten“. Die Konturen dieser Politik wurden 2019 in einer Sammlung von Berichten unter dem Titel „Hin zum Großen Ozean“ (К Великому Океану) des Valdai-Clubs skizziert, eines führenden russischen Thinktanks, der eng mit der herrschenden Elite verbunden ist und die zentralen außenpolitischen Narrative des Kremls prägt und artikuliert. Angesichts der wachsenden Rolle Asiens in der Weltwirtschaft und -politik betonten die Autoren die Notwendigkeit, dass Russland sich aktiver in asiatische Märkte integriert, seinen Außenhandel diversifiziert und an regionalen Initiativen teilnimmt. Besonders hervorgehoben wurde die Schlüsselrolle Chinas als Hauptmotor von „Wende nach Osten“ sowie seine Funktion bei der Stützung der russischen Wirtschaft unter den Bedingungen westlicher Sanktionen. Im Allgemeinen positioniert dieses Konzept Russland als eine euro-atlantisch-pazifische Macht, die ihren Status als Großmacht im 21. Jahrhundert durch ein ausgewogenes Modell globaler Präsenz und aktive Mitgestaltung einer neuen politischen und wirtschaftlichen Ordnung in Asien aufrechterhalten kann.
Das diplomatische Duo von Moskau und Beijing
Seit 2022 ist eine deutliche Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen Moskau und Beijing zu beobachten. Am 4. Februar 2022, 20 Tage vor der Invasion, besuchte Putin den chinesischen Staatschef in Beijing, wo eine gemeinsame Erklärung mit dem Titel „Internationale Beziehungen auf dem Weg in eine neue Ära und nachhaltige globale Entwicklung“ veröffentlicht wurde. In dieser Erklärung präsentierten sich Russland und China als dominierende Weltmächte. Beide Parteien verurteilten zugleich die Ausweitung westlich geführter multilateraler Institutionen wie der NATO und AUKUS. Außerdem betonen sie die Wichtigkeit der Stärkung jener Institutionen, in denen sie erheblichen Einfluss haben, wie der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) und BRICS. Letztere nutzen Russland und China, um neue internationale Zahlungssysteme und Handelswährungen zu fördern, mit dem Ziel, die Dominanz des Dollars zu schwächen. Zudem kündigten beide Staaten die Schaffung einer „Partnerschaft ohne Grenzen“ und die Zusammenlegung ihrer Kräfte zur Bekämpfung der amerikanisch geprägten liberalen Ordnung an.

In den Vereinten Nationen treten die beiden Länder häufig als Verbündete auf, da keines von beiden jemals ein Veto gegen eine vom anderen initiierte Resolution eingelegt hat. In den meisten Fällen unterstützt China Russland oder enthält sich bei Abstimmungen über Themen, die Moskau mit einem Veto blockiert. In den letzten 20 Jahren kam es lediglich einmal zu einer Meinungsverschiedenheit: Im November 2024, als Russland eine Resolution zu einem Waffenstillstand im Sudan blockierte, die China hingegen unterstützte.
Am 21. März 2023, während Xi Jinpings Besuch in Moskau, unterzeichneten die Staatschefs beider Länder eine gemeinsame Erklärung über die „Vertiefung der umfassenden strategischen und kooperativen Partnerschaft in der neuen Ära“, in der das Niveau der russisch-chinesischen Beziehungen als „das höchste in der Geschichte“ bezeichnet wurde. Chinas diplomatische Unterstützung für Russland wurde darüber hinaus durch den Besuch des chinesischen Staatschefs bei der Parade in Moskau am 8.-9. Mai 2025 zum Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs unterstrichen. Während der Feierlichkeiten versprachen die beiden Staatschefs, dem Einfluss der Vereinigten Staaten entgegenzuwirken. Das nächste Treffen ist für September 2025 in China während einer Parade zum Ende des Zweiten Weltkriegs geplant, zu der Beijing angekündigt hat, US-Präsident Donald Trump einzuladen.
Angesichts dieses hohen Niveaus politischer Interaktion, das durch zahlreiche strategische Abkommen, abgestimmte Positionen auf der internationalen Bühne sowie durch das persönliche Vertrauensverhältnis zwischen Xi und Putin gefestigt ist, erscheint die Wahrscheinlichkeit eines Zerwürfnisses ernsthaften politischen zwischen Moskau und Beijing äußerst gering.
Wirtschaftliche Unterstützung trotz Druckes
Der Handel zwischen den Ländern wuchs in den Jahren 2022–2023 um etwa ein Drittel auf einen Rekordwert von über 235 Milliarden US-Dollar und blieb auch 2024 trotz einer Wachstumsverlangsamung infolge westlicher Drohungen mit Sekundärsanktionen für die Zusammenarbeit mit Russland auf historisch hohem Niveau.

Der Energiesektor Russlands dominiert dessen Exporte, insbesondere nach China. China ist zum größten Importeur von russischem Öl geworden und hat Europa als Hauptabnehmer dieses Rohstoffs abgelöst. Rohöl machte in den Jahren 2021 bis 2023 jährlich fast die Hälfte des russischen Exportwertes nach China aus. Der Gesamtwert der Ausfuhren mineralischer Brennstoffe aus Russland nach China stieg in diesem Zeitraum erheblich an und stellte den Großteil der russischen Gesamtexporte nach China dar, was auf die wachsende Abhängigkeit der russischen Energieexporte vom chinesischen Markt hindeutet.
Gleichzeitig entfielen jedoch nur 19 % der chinesischen Rohölimporte auf Russland, da China seine Lieferanten bewusst diversifiziert (aus diesem Grund verschiebt Beijing die Genehmigung der von Russland vorgeschlagenen Gaspipeline „Power of Siberia 2“). Aufgrund der deutlich reduzierten Preise für russische Energieressourcen bleibt die Russische Föderation dennoch der größte Öllieferant Chinas und stützt damit Russlands Wirtschaft im Kontext des erschöpfenden Krieges gegen die Ukraine. Trotz der Forderungen Washingtons und der Drohung, chinesische Waren mit 100 %-Zöllen zu belegen, weigert sich China, den Import russischer Energieträger einzustellen, und demonstriert damit strategische Solidarität mit Moskau.
Chinas Exporte nach Russland sind nach der Invasion ebenfalls gestiegen, sind jedoch vielfältiger. 2021 exportierte China Waren im Wert von 72,7 Milliarden US-Dollar nach Russland, etwa die Hälfte davon Elektronik und Maschinen. 2023 stieg dieser Betrag auf 110 Milliarden US-Dollar, was hauptsächlich auf die Automobilindustrie zurückzuführen ist: Der Verkauf von Autos, Lastwagen und anderen Verkehrsmitteln von China nach Russland hat sich innerhalb von drei Jahren mehr als vervierfacht. Der Großteil dieser Importe besteht aus gewöhnlichen Verbrauchsgütern oder industriellen Maschinen und Bauteilen. Gleichzeitig nutzt Russland gelieferte Dual-Use-Produkte aus China, darunter Elektronik, Maschinen und zivile Fahrzeuge, aktiv für militärische Zwecke in der Ukraine.
Daher lässt sich feststellen, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit China trotz der bestehenden Asymmetrie die russische Bevölkerung mit Konsumgütern versorgt, die Wirtschaft mit entscheidenden Finanzmitteln stützt und das Militär mit wesentlichen Technologien zur Kriegsführung gegen die Ukraine ausstattet.
Von einer „Partnerschaft ohne Grenzen“ kann dennoch nicht die Rede sein. Internationale Sanktionen haben Chinas wirtschaftliche Unterstützung für Russland erschwert. Drei von vier größten staatlichen Banken Chinas sowie 98 % der lokalen Banken verweigerten nach der US-Ankündigung im Dezember 2023, Sekundärsanktionen gegen Finanzinstitute zu verhängen, die den Handel mit Russland erleichtern, Finanztransaktionen in Yuan mit sanktionierten russischen Institutionen. Seit Januar 2025 haben staatliche chinesische Ölkonzerne ihre Importe von russischem Öl reduziert, da sie Sekundärsanktionen der USA gegen den russischen Energiesektor fürchten.
Obwohl westliche Sanktionen die Aktivitäten chinesischer Unternehmen und Finanzinstitute erheblich eingeschränkt haben, finden Moskau und Beijing weiterhin Wege, diese zu umgehen. Russland nutzt eine sogenannte „Schattenflotte“ – dabei wird russisches Öl von sanktionierten Tankern auf nicht sanktionierte Tanker umgeladen , die die Fracht dann zu chinesischen Häfen transportieren. Einige russische Ölkonzerne verwenden Kryptowährungen, um die Umwandlung von chinesischem Yuan in russische Rubel sowie Goldtransaktionen zu erleichtern und die Verwendung des Dollars zu vermeiden. Große russische Banken haben zudem ein Netting-Zahlungssystem namens „China Track“ für Transaktionen mit China eingerichtet, um das Risiko von Sekundärsanktionen zu mindern. Nach Angaben von Reuters könnten Russland und China auch mit dem Einsatz von Tauschhandel begonnen haben, um Zahlungsprobleme zu umgehen, die Sichtbarkeit bilateraler Geschäfte für westliche Regulierer zu verringern und das Währungsrisiko zu begrenzen.
Es lässt sich somit feststellen, dass die russisch-chinesische wirtschaftliche Zusammenarbeit für beide Seiten äußerst vorteilhaft ist und die Staaten bestrebt sind, sie auch trotz westlicher Sanktionen aufrechtzuerhalten. Unter diesen Bedingungen verfügen die USA über keine Instrumente, den chinesischen Markt und die technologische Unterstützung Moskaus zu ersetzen, ohne ihre eigenen Sanktionsregime zu untergraben und die geopolitischen Ambitionen Moskaus und Beijings zu akzeptieren.
Militärische Zusammenarbeit in Zeiten globaler Spannungen
China ist zum zentralen Partner Russlands im militärisch-technischen Bereich geworden, insbesondere seit 2014 und der großangelegten Invasion in die Ukraine. Nach Angaben des EU-Sondergesandten David O’Sullivan stammen rund 80 % der Bauteile für die russischen Rüstungsgüter aus China oder Hongkong. Laut US-Geheimdiensten waren 2023 etwa 90 % der von Russland gebrauchten Mikroelektronik und fast 70 % der Werkzeugmaschinen chinesischen Ursprungs.
Im Januar 2025 zeigte eine journalistische Untersuchung des Projekts Schemes (Radio Liberty), dass China zum größten, in manchen Fällen sogar zum einzigen, Lieferanten kritischer Mineralien für die Produktion von Drohnen und Raketen geworden ist, darunter Gallium, Germanium und Antimon, die westlichen Sanktionen unterliegen. Ein erheblicher Teil dieser Lieferanten ist mit staatlichen Strukturen und der KP Chinas verbunden. Die Untersuchung ergab, dass unter den wichtigsten chinesischen Lieferanten kritischer Chemikalien für Russland die Firma Yunnan Lincang Xinyuan Germanium Industry ist, deren Hauptaktionär und Vorstandsvorsitzender das KPCh-Mitglied Bao Wendong ist. Am 15. Januar 2025 verhängte das US-Außenministerium Sanktionen gegen das staatliche chinesische Unternehmen Wafangdian Bearing Company, die angeblich Wälzlager an das russische Transportunternehmen Tascom liefert. Die Kooperation mit China wird für den Kreml angesichts des hohen Ressourcenbedarfs im Krieg gegen die Ukraine und der Erschöpfung des Potenzials der russischen Rüstungsindustrie immer wichtiger.

Auch in der Waffenentwicklung vertiefen beide Länder ihre Zusammenarbeit. Nach Informationen von Bloomberg entwickeln russische und chinesische Unternehmen gemeinsam eine Angriffsdrohne, die dem iranischen Modell Shahed ähnelt. Im September 2024 berichtete Reuters unter Berufung auf europäische Geheimdienstkreise, dass Russland in China eine Fabrik zum Bau von Langstreckendrohnen errichtet. Demnach hat das russische Unternehmen IEMZ Kupol, eine Tochter des staatlichen Rüstungskonzerns Almaz-Antey, mithilfe chinesischer Spezialisten ein neues Modell der Harpy-3 (G3) entwickelt und Testflüge in China durchgeführt, das Russland für Angriffe auf die militärische und zivile Infrastruktur der Ukraine einsetzte.
Darüber hinaus unterstützt die Volksrepublik China Russland aktiv mit Geheimdienstinformationen. Laut US-Geheimdiensten liefert China georäumliche Aufklärungsdaten, die sowohl im Krieg gegen die Ukraine als auch zur Überwachung von NATO-Truppenbewegungen in Europa genutzt werden. Das russische Verteidigungsministerium arbeitet mit den chinesischen Unternehmen HEAD Aerospace and Spacety zusammen.
China und Russland vertiefen ebenfalls ihre Zusammenarbeit im Weltraumsektor. 2022 unterzeichneten die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos und die Kommission für das chinesische Satellitennavigationssystem ein Abkommen über die „Gewährleistung der Komplementarität“ und die Synchronisierung der Satelliten zwischen dem russischen GLONASS-System und dem chinesischen BeiDou-System. Verbesserungen der Genauigkeit und Reichweite von GLONASS und BeiDou könnten die weltweite Abhängigkeit von GPS verringern und damit den ökonomischen und politischen Einfluss der USA schwächen. Beide Systeme sind zudem entscheidend für die Aufklärung und Navigation militärischer Plattformen, von Flugzeugträgern bis hin zu ballistischen Raketen. Mit ihrer Hilfe kann China die Position von US Flugzeugträgern präziser bestimmen und sie im Falle eines Konflikts gezielter angreifen, was eine erhebliche Bedrohung für die globale militärische Sicherheit der USA darstellt darstellt.
Darüber hinaus unterzeichneten Russland und China im September 2022 Verträge zur Stationierung russischer GLONASS-Bodenstationen in China und chinesischer BeiDou-Stationen in Russland, was ihr tiefes strategisches Vertrauen unterstreicht. China profitiert vom Technologietransfer mit Russland in seinem Bestreben, die USA im Weltraum zu überholen, was die militärischen Fähigkeiten beider Staaten im Gegensatz zum Westen erheblich verbessert. Auch Moskau ist angesichts seiner Misserfolge an einer Zusammenarbeit mit China in der Weltraumforschung interessiert, was auch durch das Abkommen über gemeinsame Arbeiten zur Erforschung des Mondes und die Errichtung einer Mondbasis deutlich wird.
Neben der Bereitstellung von Ressourcen, Ausrüstung und Technologie führen beide Seiten regelmäßig gemeinsame Militärübungen durch. Grundlage ist die im November 2021 unterzeichnete „Roadmap für die militärische Zusammenarbeit 2021-2025“. Sie sieht die Intensivierung strategischer Übungen, gemeinsame Patrouillen sowie engere Kontakte zwischen den Verteidigungsministerien beider Länder vor und betont die Stärke der Partnerschaft zwischen Moskau und Beijing. Seit der Unterzeichnung haben die beiden Länder mindestens 31 gemeinsame Manöver durchgeführt, darunter multilaterale Übungen mit dem Iran unter dem Titel „Maritime Security Belt“. Im Mai 2022 führten sie während des Besuchs von US-Präsident Joseph Biden in Tokio anlässlich eines Quad-Treffens eine 13-stündige gemeinsame Bomberpatrouille über dem Japanischen Meer und dem Ostchinesischen Meer durch. Dieser Schritt kann als Reaktion des russisch chinesischen Blocks auf die Stärkung der regionalen Partnerschaft der USA mit Ländern im indopazifischen Raum angesehen werden.
Russland und China beteiligten sich zudem an den gemeinsamen Marine- und Luftübungen „Northern/Interaction“ (2023, 2024) sowie „Joint Sea“ (2022, 2024, 2025) im Japanischen Meer und im Ostchinesischen Meer. Im Juli 2024 führten beide Staaten erstmals eine bekannte gemeinsame Patrouille strategischer Bomber mit zwei Tu-95 und zwei H-6 nahe Alaska durch, wobei sie kurzzeitig in die Alaska Air Defense Identification Zone (ADIZ) eindrangen.
Eine Analyse dieser Fakten zeigt, dass die militärisch-technische und geheimdienstliche Zusammenarbeit zwischen der Volksrepublik China und der Russischen Föderation strategisch angelegt ist und über bloße situative Kooperation hinausgeht. Ihr systematischer und umfassender Charakter sowie die Abdeckung kritischer Bereiche, von der Lieferung der Bauteile für die Rüstungsindustrie und der gemeinsamen Waffenentwicklung über die Integration von Satellitennavigationssystemen und den Austausch von Geheimdienstinformationen bis hin zu regelmäßigen großangelegten Übungen, deuten auf die Herausbildung einer stabilen sicherheitspolitischen Partnerschaftsinfrastruktur hin. Dieses Kooperationsmodell zielt nicht nur auf die Stärkung der gegenseitigen Verteidigungsfähigkeiten, sondern auch auf die Schaffung eines langfristigen Gegengewichts zu den Vereinigten Staaten und ihren Verbündeten.
Perspektiven eines „Reverse Kissinger“ in der heutigen Realität
Warum Moskau Washington nicht wählen wird
Unter solchen Bedingungen ist Moskau nicht an einer Annäherung interessiert interessiert, da die potenziellen Vorteile wärmerer Beziehungen zu den USA die Kosten einer Distanzierung von China nicht aufwiegen. Russland zeigt derzeit eine zunehmende Abhängigkeit von chinesischer Technologie, Märkten und militärischer Zusammenarbeit, die Washington im Gegenzug für einen Bruch mit Beijing nicht anbieten kann. Die Vereinigten Staaten werden chinesische Verträge über russische Energielieferungen nicht ersetzen, da das Land mehr Öl exportiert, als es importiert. Westliche Sanktionen, auch wenn sie durch die USA teilweise gelockert werden könnten, würden nicht vollständig aufgehoben, da die Europäer dagegen sind. Militärische Zusammenarbeit zwischen den USA und Russland wegen der Feindseligkeit Russlands gegenüber den USA und des mangelnden Interesses Washingtons an russischer Militärtechnologie erscheint unmöglich.
Die Vereinigten Staaten können Russland keine gleichwertige Alternative zur chinesischen Unterstützung bieten, was die Idee einer russisch-amerikanischen Annäherung strategisch für beide Seiten unattraktiv macht. Unter den aktuellen Bedingungen erhält Russland von China, was die USA ohne grundlegende Abkehr von ihren Prinzipien nicht leisten können: stabile wirtschaftliche Zusammenarb eit trotz Sanktionen, technologische und militärische Kooperation, diplomatische Rückendeckung auf internationaler Ebene und, vor allem, Akzeptanz der russischen Ambitionen im postsowjetischen Raum sowie Unterstützung bei der Schwächung der globalen Rolle der USA. Moskau wird sich kaum auf die Seite der Vereinigten Staaten im Vorgehen gegen China stellen, da es zu viele Gründe für eine enge Zusammenarbeit mit Beijing hat.
Die USA könnten Russland solche Vorteile nur gewähren, wenn sie ihr Bündnissystem in Europa und Asien zerstören würden würden, was jede strategische Annäherung extrem kostspielig und politisch toxisch machen würde. Selbst wenn Washington ein solches Szenario in Betracht ziehen würde, erlaubt das geringe Vertrauen zwischen den Parteien nach jahrzehntelanger Konfrontation, zahlreichen Konflikten und Russlands Invasion in der Ukraine keine stabile Partnerschaft. Angesichts begre nzter Ressourcen, widersprüchlicher Interessen und eines tiefen Vertrauensmangels hat keine Seite einen pragmatischen Anreiz für eine strategische Annäherung.
Hinzu kommt, dass die USA eine Demokratie sind, in der der Präsident alle vier Jahre gewählt wird und ein Drittel der Senatoren alle zwei Jahre. Mit dieser Machtstruktur könnte sich die US-Außenpolitik mit dem Amtsantritt eines neuen Präsidenten dramatisch ändern, der möglicherweise zu einem konfrontativen Kurs gegenüber Moskau zurückkehrt. Im Gegensatz dazu verfügen das kommunistische China und Putins Russland über eine starre vertikale Machtstruktur, die Vertrauen zwischen den beiden Führern fördert. Darüber hinaus ist der Kurs der KPCh deutlich stabiler. Mit Beginn von Xi Jinpings beispielloser dritter Amtszeit als Staatsoberhaupt wird Putins Wahrnehmung Chinas als verlässlicherer Partner (auch im Gegengewicht zu amerikanischem Einfluss) bestätigt, da auch Xi zu Zentralisierung und Konzentration der Macht im Land neigt.
Eine mögliche Annäherung an Russland würde erhebliche Zugeständnisse der USA erfordern: Teilweise Aufhebung der Sanktionen, Einschränkungen bei der militärischen Unterstützung der Ukraine, Anerkennung des „russischen Status“ der Krim sowie eine Rückkehr zu den NATO-Grenzen von 1997 (die Russland schon vor der großangelegten Invasion als Sicherheitsgarantien forderte), als das Bündnis die Staaten Mittel- und Osteuropas noch nicht umfasste. Dies käme einer de-facto-Anerkennung der russischen Einflusssphäre in Osteuropa gleich. Solche Zugeständnisse wären jedoch unzureichend, um Russlands Forderungen zu erfüllen und es von China „loszulösen“.
Zunächst einmal berücksichtigen solche Zugeständnisse nicht die tiefgreifende Natur der strategischen Partnerschaft zwischen China und Russland, die auf dem Wunsch basiert, die internationale Weltordnung neu zu gestalten, an deren Entstehung die Vereinigten Staaten maßgeblich beteiligt waren. Mit dem Beginn der großangelegten Invasion in die Ukraine hat Russland entschlossen seinen Wunsch bekundet, das Kräfteverhältnis auf der internationalen Bühne zu verändern, wobei die Volksrepublik China Russland aktiv unterstützt und ihm damit das Vertrauen gibt, seine Politik fortzusetzen. Die chinesisch-russische Zusammenarbeit entspricht voll und ganz den Interessen beider Staaten in ihrem Bestreben, den ihrer Ansicht nach übermäßigen Einfluss der Vereinigten Staaten zu schwächen. Zudem ist der chinesische Energiemarkt für Russland von zentraler Bedeutung, und der Grad der militärischen Zusammenarbeit sowie das Volumen der Lieferungen von Dual-Use-Gütern zwingen Russland, eng bei Beijing zu bleiben.
Ein solches „Flirten“ mit Russland könnte auch von anderen Akteuren als Schwäche der USA und des Westens insgesamt wahrgenommen werden. Dies würde das Risiko aggressiver Aktionen Beijing gegen Taiwan erhöhen, Russland dazu ermutigen, die Stärke der NATO zu testen, und andere regionale Akteure dazu veranlassen, dem amerikanischen Einfluss in ihren Regionen entgegenzutreten.
Strategische Risiken des „Reverse Kissinger“
Darüber hinaus würde eine solche Politik das Vertrauen in die Vereinigten Staaten als verlässlichen Sicherheitspartner sowohl weltweit als auch bei ihren Verbündeten zerstören. Für NATO-Mitglieder ebenso wie für Partner im Indopazifik wie Japan, Südkorea und Australien würden Zugeständnisse an Russland als die Bereitschaft der USA wahrgenommen, die Sicherheit anderer für illusorische strategische Gewinne zu opfern opfern. Dies wiederum würde bei den Verbündeten der USA Zweifel an der Bereitschaft und Fähigkeit Washingtons wecken, ihre Sicherheit angesichts externer Bedrohungen zu gewährleisten, die transatlantische Einheit untergraben und sogar zu Einschränkungen der Zusammenarbeit führen (beispielsweise Einstellung des Nachrichtenaustauschs oder Verweigerung des Zugangs zu ausländischen Militärbasen für US-Streitkräfte).
Außerdem könnte das Eingehen wesentlicher Kompromisse mit Moskau die US-Verbündeten zu der Überzeugung bringen, dass Russland in der Lage ist, seine aggressiven Ziele zu verfolgen und bereit ist, erhebliche Ressourcen dafür einzusetzen. Ein solches Signal schwächt das Vertrauen in die Verlässlichkeit der amerikanischen Unterstützung und ermutigt Partner dazu, ihre strategische Orientierung neu zu bewerten. Infolgedessen könnte sich eine Tendenz zu einer flexibleren Politik gegenüber Moskau und Beijing herausbilden, auch wenn eine solche Politik den Interessen der USA zuwiderläuft.
Bewährte Allianzen durch den Versuch zu ersetzen, mit Russland zusammenzuarbeiten, das durch Instabilität und Unberechenbarkeit geprägt ist, stellt gewiss keine realistische Politik im Geiste Kissingers dar. Das Bündnissystem der USA beruht seit Jahrzehnten auf Vertrauen und Verpflichtungen, welche die Zeit überdauert haben: Die NATO hat Europas Sicherheit gewährleistet, während die Allianzen mit Japan, Südkorea und Australien die Stabilität im asiatisch-pazifischen Raum gesichert haben. Stattdessen riskieren die USA, das Vertrauen jener zu untergraben, die über Jahrzehnte hinweg die internationale Stabilität getragen haben.
Die Vorstellung, Russland könne dieses System ersetzen oder gar als alternativer Partner auftreten, widerspricht den vorliegenden Fakten. Die Russische Föderation hat sich wiederholt als instabiler Akteur erwiesen: Die Annexion der Krim, der Krieg gegen die Ukraine und nukleare Erpressung – all dies hat Russlands Rolle als Unruhestifter der internationalen Ordnung verdeutlicht. Zudem erhalten selbst jene Staaten, die formell als seine „Verbündeten“ gelten, keine angemessene Unterstützung. So leistete Moskau dem Iran während des US-Angriffs auf iranische Nuklearanlagen trotz der Erwartungen der iranischen Seite keine substanzielle Hilfe und ebenso wenig Armenien, einem Mitglied der OVKS, in der neuen Eskalation des Konflikts mit Aserbaidschan.
Daher erscheint es unbegründet und kurzsichtig, sich auf Russland als potenziellen strategischen Partner zu konzentrieren, da dies die grundlegenden Prinzipien bewährter Bündnisbeziehungen untergräbt, Moskaus destruktive Rolle im internationalen System ignoriert und dessen geopolitische Ambitionen auf Kosten der Interessen der USA befriedigt. Eine solche Strategie könnte dem internationalen Prestige der Vereinigten Staaten als einflussreichem globalem Akteur erheblichen Schaden zufügen, zu einem allmählichen Bedeutungsverlust auf der Weltbühne führen und ihre Fähigkeit, das Verhalten anderer Staaten im Sinne der eigenen nationalen Interessen zu beeinflussen, erheblich einschränken.
Schlussfolgerungen
In der gegenwärtigen Lage ist der „Reverse Kissinger“ eine riskante Strategie mit hohen Kosten und minimalen Erfolgsaussichten. Die Russische Föderation und die Volksrepublik China sind nicht durch vorübergehende Umstände, sondern durch eine gemeinsame Vision einer Weltordnung ohne US-Dominanz verbunden. Die Vereinigten Staaten hingegen können China nicht in der Bereitstellung von Unterstützung für Russland auf diesem Niveau ersetzen, was eine russisch-amerikanische Annäherung für beide Seiten unprofitabel macht. Daher ist der Austausch langjähriger Verbündeter gegen einen instabilen und unzuverlässigen Partner kein Zeichen von Pragmatismus, sondern vielmehr eine gefährliche Illusion, die die Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts missachtet.
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