Zwischen westlichem Druck und nationaler Sicherheit: Israels Neutralitätspolitik gegenüber Russlands Krieg in der Ukraine

von Oleksandr Bulin

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Wichtigste Schlussfolgerungen

  • Israels pragmatischer Balanceakt: Israel steht vor einem schwierigen Dilemma, da es versucht, seine öffentliche Unterstützung für die territoriale Integrität der Ukraine mit seinen pragmatischen Beziehungen zu Russland in Einklang zu bringen. Dieser Balanceakt spiegelt die Komplexität der israelischen Außenpolitik in einer sich rasch verändernden globalen Landschaft wider.
  • Strategische Partnerschaft mit Russland: Israel hat im Laufe der Jahre eine vielfältige Partnerschaft mit Russland aufgebaut, die sich auf Handel, Sicherheit und regionale Stabilität erstreckt. Diese strategische Allianz spielt bei Israels diplomatischen Aktivitäten, insbesondere im Nahen Osten, eine entscheidende Rolle.
  • Westlicher Druck und nationale Sicherheit: Israels Position zum russischen Krieg gegen die Ukraine hat den Druck seitens seiner westlichen Verbündeten, insbesondere der Vereinigten Staaten, erhöht. Der Umgang mit diesen Beziehungen bei gleichzeitiger Wahrung der nationalen Sicherheitsinteressen stellt eine große Herausforderung für Israels Führung dar.
  • Humanitäre Hilfe und Waffenlieferungen: Israel hat der Ukraine während des Krieges humanitäre Hilfe geleistet, darunter medizinische Hilfsgüter, Ausrüstung und Lebensmittel. Das Ausmaß seiner militärischen Unterstützung, insbesondere die Lieferung tödlicher Waffen, ist jedoch nach wie vor umstritten und wird heftig diskutiert.

Russischer Überfall auf die Ukraine hat viele Länder auf der ganzen Welt gezwungen, sich für eine Seite zu entscheiden und ihre strategischen außenpolitischen Prioritäten neu zu bewerten. Gleichzeitig versuchen viele Staaten eine neutrale Position einzunehmen, ohne eine Seite deutlich zu unterstützen. Israel setzt sich offiziell für die territoriale Integrität der Ukraine. Gleichzeitig arbeitet es jedoch aktiv mit Russland zusammen und liefert nicht die von der Ukraine gewünschte militärische Ausrüstung. Eine solche Politik führt zu Spannungen zwischen der Ukraine, Israel und ihren gemeinsamen westlichen Partnern und zu einer allmählichen Verschlechterung der Beziehungen zwischen den Staaten.

In diesem Artikel analysieren wir, welche Position Israel zum Krieg gegen die Ukraine einnimmt und warum die Beziehungen zu Russland für Israel so strategisch wichtig sind.

Die Entwicklung der Beziehungen Israels zur Ukraine und zu Russland

Seit der Unabhängigkeitserklärung der Ukraine entwickelten sich die Beziehungen zwischen den Staaten hauptsächlich in den Bereichen Handel und Kultur.

In den 1990er Jahren, während der postsowjetischen Alija, zogen zahlreiche Juden aus der Ukraine nach Israel. Derzeit beträgt diese Zahl etwa 500.000, darunter 35.000 ethnische Ukrainer.

In der ukrainischen Stadt Uman befindet sich das Grab der berühmten jüdischen Religionsfigur Nachman von Brazlaw. Tausende von Brazlaw-Chassidim, Anhänger von Nachmans Lehren, kommen jährlich an Rosch ha-Schana (jüdischer Neujahrstag) nach Uman zu seinem Grab.

Obwohl der allgemeine Trend in den ukrainisch-israelischen Beziehungen immer positiv war, hatten sie mehrere Aspekte, die eine negative Entwicklung aufwiesen. Der wichtigste betraf die ukrainische Politik der Ehrung von Mitgliedern der ukrainischen antisowjetischen nationalistischen Bewegungen wie der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) und der Ukrainischen Aufständischen Armee (UPA). Diese Politik begann während der Präsidentschaft von Wiktor Juschtschenko (2005–2010). Die israelische Regierung protestierte gegen diese Politik und verwies auf die antisemitischen Ansichten einiger Mitglieder der ukrainischen nationalistischen Organisationen und auf ihre mögliche Beteiligung an Verbrechen gegen Juden während des Zweiten Weltkriegs. Obwohl OUN und UPA bei den Nürnberger Prozessen nicht als Nazi-Kollaborateure verurteilt wurden, bleibt diese Frage in den gegenwärtigen Beziehungen zwischen Staaten immer noch umstritten.

Gleichzeitig entwickelten sich enge israelisch-russische Beziehungen. Mehrere Faktoren trugen zu diesem Prozess bei, darunter eine große Zahl von Repatrianten und die traditionelle Wahrnehmung von Russland als kultureller Nachfolger der UdSSR. Die reichen natürlichen Ressourcen von Russland festigten diese Beziehungen, denn im Jahr 2022 wurden mineralische Brennstoffe, Eisen und Stahl die wichtigsten russischen Importgüter für Israel. Darüber hinaus machte der russische Einfluss im Nahen Osten, insbesondere die Zusammenarbeit mit den arabischen Staaten, die einst sowjetische Partner waren, Russland zu einem wertvollen Partner.

So pflegt Israel seit 1991 erfolgreich Beziehungen sowohl zur Ukraine als auch zu Russland. Aufgrund des größeren geopolitischen Einflusses Russlands haben die Beziehungen zwischen Israel und Russland jedoch erheblich an Stärke gewonnen und überschatten die Beziehungen Israels zur Ukraine. Darüber hinaus wurde die Aufrechterhaltung guter Beziehungen zur Russischen Föderation aufgrund ihres Einflusses im Nahen Osten zu Israels strategischer Priorität.

Sonderbeziehung zwischen Netanjahu und Putin

Die 12 Jahre der Amtszeit Netanjahus von 2009 bis 2021 sind zur Zeit der stärksten Annäherung zwischen Israel und Russland in der Geschichte der Beziehungen zwischen diesen Staaten geworden. Der israelische Ministerpräsident hat wiederholt eine „Sonderbeziehung“ zwischen ihm und Putin erklärt.

Er besuchte Russland beispiellos 17 Mal. In dieser Zeit stattete er mehr Besuche nur in den USA ab. Im Jahr 2018 nahm der israelische Ministerpräsident sogar an den Feierlichkeiten zum Tag des Sieges auf dem Roten Platz teil. Netanjahu marschierte im Marsch des Unsterblichen Regiments neben dem russischen Präsidenten Putin und dem serbischen Präsidenten Vučić.

Vučić, Putin & und Netanjahu bei der Militärparade in Moskau. 9. Mai 2018. Amos Ben-Gershom/GPO

Solche Schritte von israelischer Seite werden durch die zunehmende Präsenz der Russischen Föderation im Nahen Osten erklärt, insbesondere nach dem Beginn des Bürgerkriegs in Syrien im Jahr 2011 und dem russischen Militäreinsatz im Jahr 2015, die diesem die Möglichkeit gab, in der Region Fuß zu fassen und direkten Einfluss auf die Konfliktparteien zu nehmen. Da Flugzeuge und Flugabwehr Russlands nun in Syrien stationiert waren, war es für Israel von entscheidender Bedeutung, einen Konsens mit Putin über den Zugang zu Israels eigenen Feinden, wie der vom Iran unterstützten Hisbollah, zu erzielen. Dementsprechend waren die Hauptthemen der Treffen zwischen Netanjahu und Putin meist entweder der Krieg in Syrien oder das iranische Atomprogramm.

Netanjahus Wunsch, mehr Repatrianten aus den postsowjetischen Ländern auf seine Seite zu ziehen, war ein weiterer Faktor, der zur raschen israelisch-russischen Annäherung beitrug. Etwa 15 % der israelischen Bevölkerung sind russischsprachige Staatsbürger. Sie, insbesondere die ältere Generation, bevorzugen bei Wahlen rechte Parteien, darunter Netanjahus Likud-Partei.

Forschungen zeigen jedoch, dass russischsprachige Israelis tendenziell das Gefühl haben, in der Regierung nicht vertreten zu sein. Daher neigen sie dazu, für Parteien zu stimmen, deren Ziel es ist, speziell die russischsprachige Bevölkerung Israels zu vertreten. Beispielsweise stimmten bei den Wahlen 2019 40,2 % der Repatrianten aus dem postsowjetischen Raum für die Partei Jisra’el Beitenu. Ihr Parteichef ist Avigdor Lieberman, der aus Chișinău stammt. Netanjahus Likud-Partei erhielt bei diesen Wahlen 26,7 % der Stimmen von derselben sozialen Gruppe.

So versuchte Netanjahu, bei der kulturellen Annäherung an Russland die Gefühle der doppelten nationalen Selbstidentifikation der Israelis aus den postsowjetischen Staaten zu nutzen. Einerseits versuchte er, mehr Unterstützung der russischsprachigen Wähler zu gewinnen und andererseits eine Plattform für die Interaktion mit politischen Kräften zu schaffen, die sich an russischsprachige Wähler richteten.

Das Russische Viertel in Jerusalem. Olivier Fitoussi /Flash90

Eines der auffälligsten Beispiele der kulturellen Zusammenarbeit mit Russland war die Überführung des Russischen Viertels in den Besitz der Regierung Russlands im Jahr 2019. Das Russische Viertel ist ein wichtiges orthodoxes Heiligtum, der 1890 von der Kaiserliche Orthodoxe Palästina-Gesellschaft erbaut wurde. Heutzutage wird der Besitz dieses Heiligtums zwischen der russischen Regierung und der Kaiserliche Orthodoxe Palästina-Gesellschaft gestritten, die seit der Revolution von 1917 im Exil war und dieses Kulturobjekt all diese Jahre kontrollierte. Im Jahr 2019 beschloss die israelische Regierung, das Eigentum an die russische Regierung zu übertragen. Diese Aktion wurde zunächst nicht öffentlich angekündigt und erst nachträglich in den Medien veröffentlicht. Allerdings haben rechtliche Probleme die russische Regierung bisher daran gehindert, das Eigentum zu übernehmen, und der Streit darüber dauert an.

Israels Position zur russischen Aggression im Zeitraum 2014-2022

Von Anfang an, als die russische Aggression gegen die Ukraine begann, nahm Israel eine neutrale Position in dem Konflikt ein. Der Vertreter Israels war bei der Abstimmung der UN-Generalversammlung über die Resolution zur Unterstützung der territorialen Integrität der Ukraine am 27. März 2014 abwesend. Diese Resolution war das erste internationale Dokument, das die Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine durch Russland verurteilte.

Die zurückhaltende Politik setzte sich mit dem sich entfaltenden Krieg im Osten der Ukraine fort, der auf die Annexion der Halbinsel Krim durch Russland folgte. Israel äußerte sich lediglich zur Notwendigkeit von Verhandlungen und einer diplomatischen Beilegung des Konflikts. Außerdem schloss sich das Land nicht den Sanktionen gegen Russland an. Es wurde zu einem Zufluchtsort für russische Oligarchen, die versuchten, sich vor den westlichen Beschränkungen zu retten. Im Jahr 2018 forderte Verteidigungsminister Avigdor Lieberman Moskau sogar auf, eine israelfreundlichere Haltung zu Syrien und Iran einzunehmen, und betonte, dass Israel sich den antirussischen Sanktionen nicht angeschlossen habe.

Anschließend stimmte Israel mehrmals für Resolutionen zur Verurteilung Russlands, und einzelne israelische Beamte sprachen sich für die Unterstützung der Ukraine aus.

Dennoch haben die höheren Kreise der israelischen Politik, insbesondere der Ministerpräsident, die russische Invasion und Besetzung nie ausdrücklich verurteilt. Israel nahm weiterhin eine möglichst neutrale Position ein: Die Nichtanerkennung der Veränderung der Grenzen eines souveränen Staates und die Nichteinmischung in den Konflikt waren die größten Signale der Verurteilung, die in den Erklärungen zu erkennen waren.

Die großangelegte russische Invasion: Israel hüllt sich in Schweigen

Nach dem Ausbruch des großangelegten Krieges in der Ukraine versucht die israelische Regierung immer noch, ihre langjährige Politik der Neutralität im russisch-ukrainischen Konflikt aufrechtzuerhalten. Mit der Zeit wird dies jedoch immer schwieriger.

Am 24. Februar, dem Tag, an dem die Invasion begann, verurteilte Außenminister Jair Lapid das Vorgehen Russlands. Ministerpräsident Naftali Bennett versprach nur humanitäre Hilfe für die Ukraine und sagte: „Unsere Herzen sind bei den Zivilisten in der Ostukraine, die in dieser Situation gefangen sind.“ Als Jair Lapid im Juli 2022 für sechs Monate Ministerpräsident wurde, änderte er seine Rhetorik gegenüber Russland in eine moderatere Richtung. Das Prinzip der Neutralität des Ministerpräsidenten setzte sich fort. Israelische Politiker können die Aktionen Russlands verurteilen, während der Regierungschef öffentlich neutral bleibt.

Israel schloss sich den Wirtschaftssanktionen gegen Russland nicht an und berief sich dabei auf die lokale Gesetzgebung, die die Verhängung einseitiger Sanktionen gegen andere Staaten nicht zulässt. Darüber hinaus wurde Israel zu einem Zufluchtsort für “russische Flüchtlinge”, mächtige Russen, die nicht mit Putins Regime assoziiert werden wollen, selbst wenn sie vor dem Krieg aktiv mit dem Regime kollaboriert haben oder es immer noch tun.

Gleichzeitig hat Israel die Ukraine seit Beginn der Invasion mit einer großen Menge an humanitärer Hilfe versorgt. Dazu gehören Medikamente, medizinische Geräte und Maschinen, ein Feldlazarett, militärische Schutzausrüstung, Generatoren, Lebensmittel und Trinkwasser.

Was ist mit Waffen?

Seit Beginn der großangelegten Invasion hat die ukrainische Regierung Israel wiederholt um Waffenlieferungen gebeten, vor allem um das Flugabwehrsystem Iron Dome.

Zunächst versuchte die israelische Regierung, sich auf humanitäre Hilfe zu beschränken. Am 17. November 2022 (9. Kriegsmonat) hob Israel jedoch unter dem Druck der Vereinigten Staaten, der sich aufgrund der massiven russischen Angriffe auf die ukrainische Energiestruktur verstärkte, die Beschränkung für die Lieferung von Waffen mit israelischen Komponenten durch Drittstaaten auf. Ebenfalls im Mai 2023 tauchten Informationen über die Lieferung von 16 israelischen Radaren an die Ukraine auf, mit denen Luftziele aufgespürt werden sollten. Das Geld für den Kauf der Radare wurde in Litauen gesammelt.

Es gibt jedoch keine offiziellen Beweise dafür, dass Israel tödliche Waffen an die Ukraine geliefert hat. Im September 2022 sagte Präsident Selenskyj: “Ich bin schockiert und verstehe [das] nicht. Israel hat uns nichts gegeben, nichts, null…”

Ukrainischer Soldat mit israelischem Radar. Natah Flayer

In den Medien tauchten mehrfach Gerüchte auf, wonach die israelische Regierung die Möglichkeit in Betracht zieht, Waffen in die Ukraine zu liefern, insbesondere über Drittländer. Keine dieser Informationen wurde jedoch offiziell bestätigt.

Die letzte Verschlechterung der Beziehungen zwischen Israel und der Ukraine trat im Juni 2023 ein. Ministerpräsident Netanjahu sagte in einem Interview, Israel wolle keine Waffen an die Ukraine liefern.

Als ersten Grund nannte er die Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit Russland in der Syrien-Frage. Der sogenannte russisch-israelische Konsens besagt, dass Russland israelische Schläge gegen die Streitkräfte seines Verbündeten Baschar al-Assad und iranische Proxy-Gruppen nicht verhindert.

Als Zweites erwähnte er die Befürchtung, dass israelische Waffen in die Hände der Russen und von diesen in den Iran und nach Syrien gelangen könnten. Netanjahu behauptete, dass israelische Soldaten an ihren Grenzen bereits westliche Panzerabwehrwaffen sehen, die an die Ukraine geliefert wurden. Beweise dafür gab er nicht an.

Als Reaktion auf die Behauptungen des Ministerpräsidenten gab die ukrainische Botschaft in Israel eine kritische Erklärung über den von der israelischen Regierung eingeschlagenen Weg einer engen Zusammenarbeit mit Russland und einer prorussischen Haltung ab.

Netanjahus Dilemma: Zwischen westlichem Druck und nationaler Sicherheit

Bei dem Versuch, im russischen Krieg gegen die Ukraine zwischen verschiedenen Seiten zu balancieren, befindet sich die Regierung Netanjahu (ebenso wie die Regierung Bennett-Lapid) in einer schwierigen Situation.

Einerseits versucht sie, freundschaftliche Beziehungen zu Moskau aufrechtzuerhalten, um sich Spielraum gegen die russischen Partner Syrien und Iran (einschließlich der vom Iran unterstützten Proxy-Kräfte) zu sichern.

Gleichzeitig wird der Druck der westlichen Partner Israels immer größer. Die Vereinigten Staaten, Israels wichtigster Verbündeter und Geber, sind zunehmend unzufrieden mit dem Vorgehen des Landes. Washington ist besorgt über die Machtübernahme durch eine Regierung, die als die am weitesten rechts ausgerichtete in der Geschichte des Landes bezeichnet wird. Ihr gehören Minister an, die für ihre chauvinistischen Ansichten bekannt sind und die bereits früher wegen Extremismus zur Rechenschaft gezogen wurden. Dies findet umso mehr Beachtung, da das Weiße Haus und der Kongress von den Demokraten kontrolliert werden, die Israel traditionell eher kritisch gegenüberstehen.

Außerdem setzen die Vereinigten Staaten Israel unter Druck, damit es eine aktivere Stellung zum Krieg in der Ukraine einnimmt. So wurde die Aufhebung des Embargos für die Lieferung von Waffen mit israelischen Komponenten an die Ukraine wahrscheinlich aufgrund des Drucks der USA beschlossen. Washington, das zum Hauptlieferanten von militärischer Ausrüstung für die Ukraine geworden ist, versucht, andere Staaten dazu zu bewegen, ihre Lieferungen zu erhöhen, um die eigene Last zu verringern. Die anhaltende Uneinigkeit zwischen Israel und den Vereinigten Staaten droht langfristig zu einem Rückgang der amerikanischen Militärhilfe für den Staat zu führen. Von beiden Flanken der US-Politik werden Stimmen laut, die eine Verringerung der Hilfe für Israel fordern: von der progressiven Fraktion der Demokratischen Partei und vom rechten Flügel der Republikaner.

Der wackelige Status quo Israels wird jedoch auch durch die Stärkung der Beziehungen zwischen Moskau und Teheran bedroht. Besonders besorgniserregend sind die Nachrichten über eine mögliche Zusammenarbeit zwischen Russland und dem Iran im Bereich der Atomenergie. Jüngsten Angaben zufolge hat der Iran einen Urananreicherungsgrad von über 80 % erreicht, was der für den Atomwaffenbau erforderlichen Anreicherung von 90 % bedenklich nahe kommt. Sollte der Iran diese Grenze erreichen, könnte Israel auf die sogenannte Begin-Doktrin zurückgreifen. Sie besagt, dass Israel nicht zulassen darf, dass seine Feinde Massenvernichtungswaffen in die Hände bekommen. Die Begin-Doktrin wurde zweimal angewandt, 1981 und 2007. Damals zerstörten israelische Flugzeuge Atomreaktoren im Irak und in Syrien.

Die israelische Regierung sieht keine Chance, die russisch-iranische Zusammenarbeit zu beenden, indem sie eine proukrainische Haltung einnimmt. Daher plant sie, weiterhin am Status quo festzuhalten: Partnerschaft mit Moskau und Militäroperationen gegen seine Partner. Die einzigen, die zu einer Änderung dieser Politik beitragen könnten, sind die Vereinigten Staaten. Angesichts der Tatsache, dass Israel nach wie vor der wichtigste Verbündete der USA im Nahen Osten ist, und angesichts der großen proisraelischen Lobby in der US-Politik ist es jedoch unwahrscheinlich, dass es in nächster Zeit zu nennenswerten Veränderungen kommt, trotz aller Widersprüche zwischen den beiden Ländern.

Fazit

Seit dem Beginn der russischen Aggression gegen die Ukraine im Jahr 2014 hat Israel eine relativ neutrale Haltung gegenüber dem Konflikt eingenommen. Mit dem Beginn des großen Krieges blieb diese Position der israelischen Regierung unverändert. Die Notwendigkeit, die kooperativen Beziehungen zu Russland aufrechtzuerhalten, hinderte die israelische Regierung daran, die Ukraine mit Waffen zu beliefern, und ließ nur Raum für humanitäre Hilfe und den Export von Radarsystemen. Angesichts der starken militärischen Präsenz Russlands in Syrien und seines engen Bündnisses mit dem Iran bleibt Russland ein wichtiger Akteur, den Israel sorgfältig berücksichtigen muss. Im letzten Jahrzehnt war der Aufbau enger, positiver Beziehungen zu Russland einer der wichtigsten Bereiche in Netanjahus Außenpolitik.

Dagegen sind die westlichen Partner Israels, vor allem sein wichtigster strategischer Verbündeter, die USA, mit solchen Aktionen unzufrieden. Sie üben Druck auf Israel aus und fordern es auf, eine härtere Haltung einzunehmen. Diese Politik hat zu einigen Ergebnissen geführt, wie z.B. der Aufhebung des Embargos für die Lieferung von Waffen mit israelischen Komponenten und der Lieferung von Radargeräten an die Ukraine.

Die Interessen Israels an der Wahrung einer neutralen Position sind jedoch nach wie vor stark ausgeprägt, und es ist unwahrscheinlich, dass sich Israels Politik gegenüber dem Krieg gegen die Ukraine in naher Zukunft ändern wird.


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